Von Amichai Magen
Wie wird sich Europa im September verhalten? Diese Frage ist zum einen von großer Bedeutung, weil jede Resolution der UN-Vollversammlung, die einen palästinensischen Staat anerkennt, die Unterstützung der westlichen Demokratien für die moralische und politische Autorität benötigt. Zum anderen hängt die volle UN-Mitgliedschaft (das eigentliche Ziel der Palästinenser) von der Zustimmung des Sicherheitsrats ab – und ein Drittel der Sitze im Sicherheitsrat sind derzeit in den Händen der Europäer.
Wenn es hart auf hart kommt, werden die USA ihr Veto gegen den palästinensischen Antrag einlegen, doch wenn die EU sich ebenfalls gegen die unilaterale Erklärung der Unabhängigkeit positionierte, würde das eine klare Botschaft senden, dass Frieden nicht erzwungen werden kann, sondern erarbeitet werden muss. Die EU Außenminister treffen sich nächste Woche in Polen, wo sie gemeinsam einen solchen Standpunkt deutlich machen könnten.
Friedenskonsolidierung, oder „Peace-building“, in der eigenen Nachbarschaft ist etwas, auf das Europa mit gutem Recht stolz sein kann. Seit dem Ende des Kalten Kriegs hat die EU bei der Transformation der armen, autoritären, kriegsgeschundenen Ländern des ehemaligen Sowjet-Blocks und des Balkans zu funktionierenden Marktwirtschaften und Demokratien eine ausschlaggebende Rolle gespielt.
Diese Transformation wurde durch einen vorsichtigen, langfristigen Ansatz des Peace-building erreicht und beruhte darauf, dass echter Frieden und Sicherheit von Nachbarstaaten abhängen, die stabile Demokratien sind und die Rechtstaatlichkeit, Menschenrechte und friedliche Konfliktlösung respektieren und garantieren können.
In der Tat würde Europa die neuen Staaten nur unter der Bedingung anerkennen, dass sie demokratische Prinzipien respektieren, gegen Korruption vorgehen, Menschen- und Minderheitenrechte garantieren, Waffenkontrolle akzeptieren und sich der guten Beziehungen zu ihren Nachbarn verpflichten.
Um die Einhaltung dieser Standards zu sichern, bindet die EU alle Vorteile – diplomatische Unterstützung, Zugang zum europäischen Binnenmarkt und Milliarden Euro an Wirtschaftshilfe – an die Erlangung einer verantwortungsvollen Regierung und der Einhaltung freiheitlicher Grundwerte. Der Vertrag von Lissabon verpflichtet die EU, diese Werte in ihrer Außenpolitik hochzuhalten und voranzutreiben.
Eine europäische Unterstützung für die unilaterale Staatsausrufung der Palästinenser würde nicht nur diese Werte verraten, sondern wäre auch ein kolossaler politischer Fehler, der sehr leicht in regionaler Instabilität enden könnte.
Als Mitglied des Nahost-Quartetts und größter Geber finanzieller Unterstützung an die Palästinenser ist die EU formal einer verhandelten Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts, basierend auf zwei funktionierenden, demokratischen Staaten, die Seite an Seite in sicheren und anerkannten Grenzen leben, verpflichtet.
Europa hat zwar den Plan zur Entwicklung und Reform von Salam Fayyad unterstützt, doch dieser Plan konzentrierte sich auf eine relativ geringe Anzahl finanzwirtschaftlicher und administrativer Reformen. In Wirklichkeit bleibt die Palästinensische Autonomiebehörde gefährlich arm, erzielt sehr schlechte Ergebnisse bei allen wichtigen Indikatoren für Demokratie, Rechtstaatlichkeit, zivile Kontrolle bewaffneter Gruppen, Korruption und Menschenrechte.
Um einen funktionierenden palästinensischen Staat zu errichten, der willens und in der Lage ist, in Frieden mit seinen Nachbarn zu leben, muss man das zerstörerische Erbe von Jassir Arafats autoritärer Herrschaft überwinden, eine Kultur des bewaffneten Kampfes, der störenden Rolle radikaler Kräfte von außen (insbesondere Iran und Hisbollah) und der Gewalt zwischen rivalisierenden palästinensischen Gruppierungen. Die Abhängigkeit von der Hilfe von außen muss reduziert, ein der Geburtenrate angemessenes Wirtschaftswachstum garantiert und der palästinensischen Hetze gegen Nichtmuslime ein Ende bereitet werden.
All das kann nur im Rahmen eines langfristigen, tiefgreifenden, und weitreichenden Reformprozesses erreicht werden, der eine fähige und verlässliche Regierung garantiert.
Die Sicherheitsstrategie der EU besagt folgendes: „Die Qualität der Staatengemeinschaft hängt von der Qualität der sie tragenden Regierungen ab. Der beste Schutz für unsere Sicherheit ist eine Welt verantwortungsvoll geführter demokratischer Staaten.“
So wahre Worte wurden nur selten geschrieben oder einhellig unterstützt von den Führern einer internationalen Organisation. Und sie gelten genauso für die Sicherheit und das Wohlergehen von Israelis und Palästinensern wie sie für Europäer gelten.
Der Autor ist der Leiter der Politischen Entwicklungsabteilung am Institut für Counter-Terrorismus (ICT) am Interdisciplinary Center (IDC), Herzliya; Gastwissenschaftler am Hoover Institut, Stanford University, und Vorstandsmitglied im World Jewish Congress (WJC).
Stefan Friedel // Sep 7, 2011 at 11:34
Dem Kommentar von Amichai Magen schließe ich mich an.
Er spricht mir aus dem Herzen!
Heike F. // Sep 7, 2011 at 15:53
Ich finde den Artikel auch sehr gut. Habe ihn deshalb auch weitergepostet. Leider bin ich auf Desinteresse gestoßen bzw. Ablehnung. Ich kopiere mal einen Dialog ohne Namensangabe hier rein. Nicht um Sie zu ärgern, sondern vllt. damit Sie sehen, dass noch viel Aufklärungsarbeit vonnöten ist. Ich kann die leider nicht allein bewerkstelligen, und sehe mich so langsam auf verlorenem Posten.
Nicolas
Verzeih, aber wer um himmelswillen mag propaganda?
Heike erst mal durchlesen
Nicolas hab doch … :-/
Heike
und, was ist falsch daran?
Nicolas
Naja, meiner Meinung nach ist neben dem Inhalt eines Gesprächs die Motivation das interessanteste. Die Motivation dieses Herren zweifel ich an. Man kann sich denken warum. Aber das ist nicht was mich stört (jeder kämpft ja für seine Interessen). Wenn jemand vorschnell ohne die folgen zu bedenken einen Staat erhalten hat dann ja wohl Isreal. (Die folgen waren Katastrophal) Das gleiche recht sprechen sie den Palästinern ab (denen ja nachweislich dieses Stück Land mal oder immernoch gehört[e]), aus Begründungen wie zu wenig Demokratie? Zu bewaffnet? Mmh drängt sich da jetzt wirklich nur mir die Ironie auf? Wäre es nicht viel eher ein Grund die Waffen niederzulegen denn sie hätten erreicht was sie wollten, nämlich endlich echte Soveränität? Verzeih wenn ich falsch informiert bin, aber soviel ich weiß sind die Hartliner in Isreal äußerst wenig daran interessiert Frieden zu schließen (genauso wie auf der anderen Seite). Aber das als Argument für das verweigern eines Palästinischen Staates heranzuziehen ist doch mehr als scheinheilig find ich.
Heike
“Das gleiche recht sprechen sie den Palästinern ab (denen ja nachweislich dieses Stück Land mal oder immernoch gehört[e]), “ da liegst Du nachweislich falsch, lieber Nicolas. 95 Prozent des Landes haben die Israelis nachweislich käuflich erworben.
Nicolas
Abgesehen davon dass das leider ein Klischee bestätigt, gut man kann glauben das Geld legitimiert: Ich denke das nicht, und ich denke die Religion des Judentums sagt es selbst: es sei das gelobte, heilige versprochene Land etc. Da steht nirgends was von, wir haben es bezahlt es gehört uns. … Hass abbauen ist eine Aufgabe die beiden Seiten obliegt. Dass der Herr Magen der Meinung ist die Palästinenser verdienen kein Staat weil [Hier dämlich herabwürdigende Propaganda einfügen]
wundert mich nicht. Dass er mir als Europäer erzählt ich müsse im Auftrag der Demokratie verhindern das sie einen Staatsgebiet bekommen ist schwindelerregend. Ganz ehrlich: Lass uns lieber die Toten zählen anstatt zu diskutieren wer der Schuldige ist oder die Schuld tragen müsste. Schon mal „Der alte Mann und Mister Smith gelesen?“, ich fand die stelle über Israel und Palästina eine der bewegendsten.
Ende des Dialogs. Was läuft da falsch? Warum schlagen sich so viele Deutsche auf die Seite der Palästinenser? Gibt es zu wenig Aufklärungsarbeit ? Zu wenig persönliche Kontakte zu Israel?
Volker Trapp // Sep 13, 2011 at 18:03
Denken Sie an die 30siger Jahre,da hat Europa auch zugesehen,Israel hat sich auch selbst zum Staat erklärt,nach 60 Jahren muß es einen Staat Palästina geben,Ich will mich nicht an der Endlösung der Palästinenser beteiligen.Mir ist es eine Freude,daß israeliche Politiker ,in letzter Zeit das Wort Frieden benutzen.Aufkläreungsarbeit-kenne ich aus der DDR, immer war en es die Anderen.