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Feierstunde zu Ehren von sechs „Gerechten unter den Völkern“ in Hannover

17. März 2017 · Keine Kommentare · Geschichte, Holocaust

Von links: Ministerpräsident Stephan Weil, Regina Dlugay (Tochter von Tony Grossmann), Angelika Hoffmann (Enkeltochter von Alfred und Margaretha Michels), Günter Nagler (Sohn von Max Nagler), Botschafter Yakov Hadas-Handelsman, der Überlebende Michael Arzewski und seine Schwester Cecylia, Dr. Cordula Tollmien (Urgroßnichte von Manfred und Lili Pollatz). Foto: Kerstin Wendt

Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem hat Alfred und Margaretha Michels, Tony Grossmann, Manfred und Lili Pollatz sowie Max Nagler posthum in den Kreis der „Gerechten unter den Völkern“ aufgenommen. Diese drei Frauen und drei Männer haben während der Zeit des Holocaust ihr Leben riskiert, um Juden zu retten.

Der Niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil lud am vergangenen Montag, 13. März 2017,  gemeinsam mit dem Botschafter des Staates Israel, S. E. Yakov Hadas-Handelsman, zu einer Feierstunde zu Ehren der „Gerechten“ ein. Die Yad Vashem-Feierstunde fand in Hannover statt, weil die Nachkommen der Geehrten in Niedersachsen wohnen.

Über zweihundert Gäste, darunter rund 100 Schülerinnen und Schüler aus dem gesamten Bundesland, hörten die bewegenden Rettungsgeschichten und erlebten mit, wie Botschafter Yakov Hadas-Handelsman dem Sohn, der Tochter, der Enkelin und der Urgroßnichte der sechs „Gerechten unter den Völkern“ eine Yad Vashem-Medaille und eine Ehrenurkunde überreichte.

Die Rettungsgeschichten

Alfred und Margaretha Michels

Um der Deportation und Ermordung zu entgehen, versteckte sich die Berliner Jüdin Hermine Czarlinski vom Frühjahr 1943 bis zur Befreiung im April 1945 bei ihrer Jugendfreundin Margaretha Michels und deren Ehemann Alfred in Magdeburg. Das Ehepaar Michels nahm  die Verfolgte rund zwei Jahre lang in seinem Haus auf, versorgte sie mit allem Lebensnotwendigen und rettete ihr somit das Leben.

Tony Grossmann

Nach dem Beginn der Deportationen der Berliner Juden in die Vernichtungslager ging die jüdische Ärztin Dr. Ilse Kassel mit ihrer 1937 geborenen Tochter Edith in den Untergrund. Sie flüchteten im Sommer 1942 zu Ilses ehemaliger Patientin Tony Grossmann auf deren Hof in der Nähe von Landsberg an der Warthe. Rund eineinhalb Jahre versteckte und versorgte Tony Grossmann die beiden, doch dann gelang es der Gestapo im September 1943, die Untergetauchten aufzuspüren. Ilse sah keinen Ausweg und beging Selbstmord. Ihre kleine Tochter Edith wurde in Auschwitz ermordet. Tony Grossmann wurde zur „Umerziehung“ für mehrere Wochen in einem Konzentrationslager inhaftiert.

Manfred und Lili Pollatz

Als Quäker emigrierten Lili und Manfred Pollatz im Jahr 1934 mit ihren vier Kindern von Dresden nach Haarlem in die Niederlande. Dort unterhielten sie eine private Schule und eine Pension für jüdische und nichtjüdische Kinder von Emigranten. Nach der Besetzung der Niederlande durch die Deutschen versteckte das Ehepaar Pollatz jüdische Säuglinge und Kleinkinder in der Pension. Die Deutschen schöpften Verdacht, dass dort illegal Juden versteckt wurden. Bei mehreren Durchsuchungen wurden jüdische Kinder abgeholt und Manfred Pollatz wurde verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau deportiert. Nachdem sein Sohn Karl-Heinz eingewilligt hatte, als Arzt an der Ostfront zu dienen, wurde er nach einem Jahr Haft entlassen. Karl-Heinz Pollatz fiel jedoch an der Front.  

Max Nagler

Max Nagler kam im Jahr 1939 als Postbeamter im Zuge der deutschen Besatzung Polens nach Krakau ins Generalgouvernement. Dort wurde er in der Wohnung der jüdischen Familie Arzewski untergebracht. Als die Deportationen der Juden in die Vernichtungslager begannen, zog Max Nagler in eine andere Wohnung und nahm die Familie Arzewski dort auf. Von September 1942 bis zur Befreiung im Januar 1945 versteckte und versorgte er Stanislaw, Bronislawa und ihren Sohn Mieczyslaw Arzewski sowie Jakub und Lola Feuer in seiner Wohnung. Trotzdem er der gesamten Familie das Leben rettete, wurde Max Nagler nach der Ankunft der Roten Armee als Kriegsgefangener in den Ural verschleppt. Erst nach vier Jahren kehrte er zu seiner Familie zurück.

 

Das Schlusswort bei der Veranstaltung sprach Professor Michael (vormals Mieczyslaw) Arzewski, der eigens aus New York angereist war, um den Lebensretter seiner Familie, Max Nagler, zu würdigen.  Er sagte: „Ohne Maxs Integrität, Selbstlosigkeit und Heldentum würden meine Familie und ich heute nicht hier sein. Wir sind heute hier zusammen gekommen, um einige Menschen zu feiern und zu ehren, die ihr Leben riskierten, um andere zu retten. Es kann eigentlich keine Auszeichnung geben, die ihrem Opfer gerecht wird. Alles, was wir heute tun können, ist ihre Erinnerung zu bewahren und zu sagen: Danke! Max, wenn Du heute auf uns herunter schaust, wirst Du ein Lächeln im Gesicht haben.“

Die nationale Holocaust-Gedenkstätte des Staates Israel, Yad Vashem, wurde 1953 in Jerusalem gegründet und ist Erinnerungsstätte für die Märtyrer und Helden des Holocaust und gleichzeitig Dokumentations-, Forschungs- und Bildungszentrum.

Yad Vashem erinnert seit 1963 auch an diejenigen Nichtjuden, die ihr Leben riskierten, um Juden während des Holocaust zu retten. Ihnen wird der Ehrentitel „Gerechte/r unter den Völkern“ zuerkannt. Es ist die höchste Auszeichnung, die der Staat Israel an Nichtjuden vergibt.

Die Namen aller als „Gerechte“ anerkannten Frauen und Männer werden auf der Ehrenwand im „Garten der Gerechten unter den Völkern“ in Yad Vashem verewigt. Bis zum 1. Januar 2017 hat Yad Vashem 26.513 Menschen aus 51 Ländern mit diesem Titel ausgezeichnet – darunter sind 601 Deutsche.

(Botschaft des Staates Israel, 16.3.2017)

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